Regionale Weinkultur

"Mein Dorf - Meine Rebsorte!"

Es ist ja eine deutsche und insbesondere auch eine pfälzische Besonderheit, dass einem auf den Weingütern eine extrem breite Palette an Weinen unterschiedlichster Rebsorten angeboten wird. In Spanien, Frankreich oder Italien beschränkt man sich auf zwei, drei oder vier Weine, unsere Winzer hingegen sind quasi „Vollsortimenter“. Und doch blitzen hie und da ein paar Eigenheiten auf, die für etwas Spezielles stehen. Für Bodengegebenheiten etwa, auf denen eine Sorte besonders gut wächst. Oder für historische Bezüge und gewachsene Traditionen.

Rhodt unter Rietburg

Traminer

So nennt sich beispielsweise Rhodt unter Rietburg gerne das „Traminerdorf“. Seinen Ursprung hat dies vermutlich in der Zeit um 1600, als Rhodt durch Tausch mit Württemberg in den Besitz des Markgrafs Ernst Friedrich von Baden kam. Die Winzer hatten auch zuvor bereits Gewürztraminer angepflanzt, doch in der folgenden wirtschaftlichen Blütezeit und angesichts der für ihre Weine erzielten Preise (von denen Winzer heute wohl nur träumen können!) wurde massiv aufgestockt. Die ältesten noch erhaltenen, von Rosenbögen begrenzten Rebzeilen aus dieser Zeit finden sich gegenüber der Rietburg-Genossenschaft. Die Gewürztraminerstöcke dieses wohl ältesten Weinbergs der Welt gehören heute zum Edesheimer Weingut Oberhofer, die diesen Wein natürlich separat ausbauen und sehr wertig in Einzelflaschen-Holzschatullen anbieten. Zwar ist Gewürztraminer inzwischen keine wirklich angesagte Sorte mehr, doch sie hat durchaus ihre Liebhaber, die das eindringliche, typische Bukett nach Rosen und/oder Litschi schätzen. Und in Rhodt hält man – absolut zurecht – an der Tradition fest. Viele Betriebe haben den Traminerweiterhin im Bestand. Es ist eine der ältesten bis heute wirtschaftlich genutzten Rebsorten, deren Herkunft man in Südosteuropa oder gar Ägypten verortet. Benannt wurde sie nach dem Südtiroler Weinort Tramin, wo sie seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar ist. Die reifen Trauben im Weinberg sehen fast lila aus, in den Beerenschalen bilden sich viele Farbstoffe aus, die dem Wein bei längerer Maischestandzeit auch eine leicht rötliche Farbe geben könnten.

Theresienstraße Rhodt unter Rietburg
Luftaufnahme Kleine Kalmit

Ilbesheim

Weißer Burgunder

In Ilbesheim steht Weißburgunder im Rampenlicht. Nicht bei jedem Weingut in vorderster Front, aber zumindest beim gemeinsam Projekt, dem Museums- oder Demonstrationswingert an der Kleinen Kalmit. Hier, am Ausgangspunkt des wunderbaren „Weinfests an der Affenschaukel“, welches immer Ende Juli stattfindet, hat die Vereinigung Gast und Wein diese Sorte zu einem ganz bestimmten Zweck angelegt: Es soll sich der interessierte Besucher ein Bild davon machen können, wie sich der Anbau im Laufe der Jahrhunderte oder gar Jahrtausende verändert hat. Von der Waldrebe über die Bodenrebe, die Einzelrebe am Holzpfahl (heute noch als Einzelstockerziehung an der Mosel im Einsatz!) zur Pergola, von der „Niederen Pfälzer Erziehung“ und der „Verbesserten Niederen Pfälzer Erziehung“ zur „Gehobenen Pfälzer Erziehung“. Und das eben mit Weißburgunderreben. Spätestens seit dem Versuchsanbau durch die Weinbauschule auf dem hier vorherrschenden Kalkboden weiß man wissenschaftlich belegt, wie gut Burgundersorten auf Kalkuntergründe ansprechen. Seit dieser Weinberg 1996 angelegt wurde, werden die Stöcke verpachtet. Immer fünf auf einmal und immer für fünf Jahre. Sie sind äußerst beliebt als Hochzeitsgeschenke – jedes Jahr bekommen die Besitzer auf Zeit sechs Flaschen davon, versehen mit einem individuellen Etikett. Persönlicher kann man Wein kaum machen. Es macht auch durchaus Sinn, dass ausgerechnet Ilbesheim den Wettbewerb zum „Weißburgunderpreis“ ausrichtet. Von einer fachkundigen Jury werden etwa 150 eingereichte Weine verkostet. Die zehn besten können von den Gästen des Kalmitfestes immer am letzten Wochenende im Juli ebenfalls probiert werden, so dass es einen Jury- und einen Publikumspreis gibt. Identisch waren die Entscheidungen noch nie – doch das ist auch gut so.

Die kleine Kalmit ist eine 271 m hohe Erhebung im Rheingraben und liegt zwischen Ilbesheim, Arzheim und Wollmesheim. Sie gilt als botanisches Kleinod mit einem reichen Vorkommen der seltenen Küchenschelle. Der Boden – Landschneckenkalk – in der Weinlage Kalmit prägt den mineralischen Geschmack der hier wachsenden Weine. Auf dem Kalmitwingert wurden Weißburgunderreben in 19 verschiedenen Reberziehungsformen angepflanzt. Eine Besichtigung der Anlage ist daher wie ein Gang durch die Entwicklungsgeschichte des Weinbaus.

Ilbesheim

Ilbesheim b. Landau Ein Muss: Der Panoramablick von der Kleinen Kalmit
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Kalmitwingert

Ilbesheim b. Landau Der Kalmitwingert ist eine historische…
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Kleine Kalmit

Ilbesheim b. Landau Die Kleine Kalmit ist mit 271m die höchste Erhebung…
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Kalmitweinfest entlang der Affenschaukel

27.07. - 28.07.2024 Ilbesheim b. Landau

Weingenuss rund um die Affenschaukel
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Gleiszellen-Gleishorbach

Muskateller

Auch im Doppeldorf Gleiszellen-Gleishorbach pflegt man das nicht Alltägliche. Das Steckenpferd der Winzer hier ist der Muskateller, auch eine uralte Sorte, die schon im alten Persien bekannt gewesen zu sein scheint. Es gibt sie in den Varianten Gelber, Roter, Gold- und Rosenmuskateller. Ihnen allen gleich ist ein an Muskat erinnernder Grundton und das traubige Aroma. In der Tat ist Muskateller die einzige Rebsorte in Deutschland, deren Weine nach Trauben riechen und auch schmecken. Weinfreunde können sich beim Begang des „Muskatellerwegs“ durch die Weinberge an Schautafeln näher informieren über Geschichte, Geschmack und Ausbau der Weine. Der Rundweg ist etwa 2,5 Kilometer lang und auch für ältere Menschen gut geeignet, weil er recht eben verläuft. Die Muskateller-Rebe umfasst übrigens eine ganze Reihe an Mutationen und Neuzüchtungen. Was dafür sorgt, dass mitunter Dinge in einen Topf geworfen werden, die da gar nicht hinein gehören. Grüner Muskateller etwa ist nichts anderes als Grüner Veltliner, Muskat-Silvaner ist Sauvignon Blanc und Schwarzer Muskateller Lemberger. Ganz schön verwirrend, oder?

Schweigen- Rechtenbach

Spätburgunder

Als Burgunderort darf sich in der Südpfalz mit Sicherheit Schweigen fühlen. Ganz nah an der Grenze zu Frankreich, teilweise sogar schon auf französischem Boden gelegen, entstehen hier mit die besten Spätburgunder der Republik. Und auch hier ist es, wie in Ilbesheim, der Kalkboden, der dies möglich macht. Weingüter wie Bernhart, Jülg und natürlich vorrangig Fritz Becker sind dafür verantwortlich. Sie möchten auch hier probieren? Na dann bitteschön: Der „Burgunderfrühling“ findet immer am letzten Wochenende im April statt.

Annweiler- Gräfenhausen

Spätburgunder

Geschichte spürt man förmlich, wenn man der Entstehung des „Gräfenhausers“ nachgeht. In alter Zeit, als Lagennamen noch nicht die große Rolle spielten, wurden besonders gute Tropfen nach ihrem Herkunftsort benannt – was einer großen Auszeichnung gleichkommt. Im 12. Jahrhundert gab es eine Welle von Klosterneugründungen entlang des Rheins. Zisterziensermönche kamen aus dem Burgund herüber, legten den Grundstein für den Bau im Eußerthal und brachten Spätburgunderreben (Pinot Noir) mit. Für diese suchten sie kalkhaltige Böden (hatten wir das nicht schon mal?), um in etwa vergleichbare Anbauverhältnisse wie in der Heimat zu haben. Fündig wurden sie ausgerechnet da, wo man kaum Weinbau vermuten könnte: in Gräfenhausen, gegenüber Annweiler.

Trifelsblick

Die erste urkundliche Erwähnung des Gräfenhauser Edelburgunders datiert aus 1355 – und das trat eine mehrere Jahrhunderte dauernde Erfolgsstory los. Wir reden hier nicht über riesige Mengen (mehr als sieben Hektar dürfte das Anbaugebiet damals kaum groß gewesen sein), doch der Edelburgunder war nachgefragt und entsprechend teuer. Das Fuder wurde 1822 mit 300 Gulden veranschlagt und stand insofern dem Deidesheimer oder dem Königsbacher in nichts nach. Ein Schub kam um das Jahr 1900, als der Gräfenhauser ein Medizinwein wurde und, der Liter zu zwei Goldmark, zumeist über Apotheken vertrieben wurde. Auf den Jungfernfahrten der Hapag-Lloyd-Dampfer „Europa“ und „Bremen“ 1929 wurde Gräfenhauser Edelburgunder auf der Weinkarte angeboten. Um nur kurz danach aus dem Anbau weitgehend zu verschwinden.

Das reizte die fünf Winzer der Südpfalz Connexion – Volker Gies, Sven Leiner, Boris Kranz, Klaus Scheu und Peter Siener – derart, dass sie dieses schlummernde Juwel wiedererwecken wollten. Im Jahr 2002 wurden sie fündig und rangen dem Wald an einer Steillage 2.000 Quadratmeter ab, was kurz danach durch den Erwerb einer Nachbarparzelle verdoppelt wurde. Hier wurde nun Pinot Noir gepflanzt, dessen erster Ertrag 2004 zum Verkosten bereit stand. Die Jungfernflaschen gingen – und da wiederholt sich die Geschichte – nahezu komplett an die MS Deutschland für die Europa-Amerika-Route. Für die Südpfalz Connexion ist das Kapitel Gräfenhausen mittlerweile leider zu Ende. Zuviel Wildverbiss am von drei Seiten Wald begrenzten Wingert, oft kein oder zuwenig Ertrag – und dann auch noch die zu investierende Zeit, aus Birkweiler, Ilbesheim oder gar Schweigen anzufahren. Immerhin wird die Fahne noch von Winzern wie Gerhard Schneider auf seinem Burgunderhof vor Ort hochgehalten. Damit der Gräfenhauser nicht ganz ausstirbt. Wer mag, schnürt festes Schuhwerk und macht sich auf, um entlang des „Burgunderwegs“ auf etwas mehr als 4 Kilometern Länge mit herrlicher Aussicht vieles über den Anbau und die Geschichte zu lernen.

Burgunderweg | Annweiler-Gräfenhausen

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